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ABE erloschen oder nicht ?

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    ABE erloschen oder nicht ?

    Hier ein soeben gefundenes recht neues Urteil des VGH Baden-Württemberg, Az.: 10 S 1857/09 vom 12.08.2011. Was da zu lesen ist, sollte auch auf andere Teile übertragbar sein:

    Carbon-Räder für Motorräder im Straßenverkehr zulässig

    Kurzbeschreibung: Die Betriebserlaubnis eines Motorrads erlischt nicht, wenn es auf in Großbritannien hergestellte und den dortigen Sicherheitsanforderungen entsprechende Carbon-Räder umgerüstet wird. Den Nachweis, dass durch den Einbau dieser Carbon-Räder die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werde, habe die Zulassungsbehörde nicht erbringen können. Dies entschied der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute bekannt gegebenen Urteil vom 31.05.2011 und gab damit - wie zuvor das Verwaltungsgericht Stuttgart - der Klage eines Motorradfahrers aus Ludwigsburg statt.

    Der Kläger ist Halter eines Motorrads MV Augusta und beabsichtigt dessen Umrüstung mit Carbon-Rädern. Das Regierungspräsidium Stuttgart lehnte es ab, ihm für das umgebaute Motorrad eine Betriebserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung gab es an, es existierten weder ausreichende Erkenntnisse für eine umfassende Bewertung von Kunststoffrädern noch geeignete Prüfverfahren. Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben und macht geltend, dass die Sonderräder dem einschlägigen britischen Standard BS AU 50 entsprächen und in Großbritannien über eine Betriebserlaubnis zur Verwendung im öffentlichen Straßenverkehr verfügten. Aufgrund von Unionsrecht müssten sie daher auch in der Bundesrepublik zugelassen werden. Das Verwaltungsgericht gab seiner Klage statt. Der VGH hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.

    Die vorhandene Betriebserlaubnis für das Motorrad des Klägers sei aufgrund der Umrüstung mit Carbon-Rädern nicht erloschen, weil das beklagte Land nicht hin-reichend konkret nachgewiesen habe, dass die Umrüstung eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern erwarten lasse, heißt es in den Entscheidungsgründen. Diesen Nachweis habe entgegen der Ansicht des beklagten Landes die Zulassungsbehörde zu erbringen. Dies gebiete das hier anzuwendende Unionsrecht.

    Durch die Weigerung, nach der Umrüstung mit den in Großbritannien hergestellten Carbon-Rädern die Fortgeltung der Betriebserlaubnis anzuerkennen, werde in die unionsrechtliche Warenverkehrsfreiheit eingegriffen. Der Handel mit diesen Sonderrädern innerhalb der Europäischen Union werde in einer Art beeinträchtigt, die einem Importverbot gleichkomme. Ein solches Verbot könne zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Sicherheit des Straßenverkehrs gerechtfertigt sein. Die Zulassungsbehörde dürfe sich aber nicht auf eine allgemeine Vermutung stützen, sondern müsse ihre Einschätzung wissenschaftlich untermauern. Soweit sie sich auf das Vorsorgeprinzip berufe, müsse sie auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung belegen, dass die Existenz oder die Tragweite der behaupteten Gefahr nicht mit Sicherheit bestimmt werden könne.

    Diesen Nachweis habe die Zulassungsbehörde nicht erbracht, so der VGH weiter. Der Hinweis, dass die Räder für die Fahrstabilität von Motorrädern von großer Bedeutung seien, genüge nicht. Den vom Regierungspräsidium vorgelegten Gutachten sei zwar zu entnehmen, dass ein Prüfprogramm für carbonfaserverstärkte Kunststoffräder noch nicht entwickelt und daher der experimentelle Festigkeitsnachweis noch nicht erbracht sei. Es gebe aber keinen Hinweis darauf, dass die den britischen Sicherheitsanforderungen entsprechenden Carbon-Räder gegenüber herkömmlichen, aus Leichtmetall gefertigten Rädern ein gesteigertes Gefährdungspotenzial aufwiesen. Auch gebe es keine Berichte über Unfälle, auch nicht aus dem Bereich des Rennsports, wo die Carbon-Räder bereits verwendet würden.

    Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.


    Anmerkungen:

    1. Das Erlöschen der Betriebserlaubnis greift in EU-Warenverkehrsfreiheit ein.

    Durch die Weigerung, nach der Umrüstung mit den in Großbritannien hergestellten Carbon-Rädern die Fortgeltung der Betriebserlaubnis anzuerkennen, werde in die EU-rechtliche Warenverkehrsfreiheit eingegriffen. Die damit verbundene Handelsbeschränkung komme einem Importverbot gleich. Wie das Gericht erläutert, könne ein solches Verbot zwar zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Sicherheit des Straßenverkehrs gerechtfertigt sein.

    2. Allgemeine Gefahrenvermutung für Rechtfertigung des Quasi-Importverbots nicht ausreichend

    Die Zulassungsbehörde dürfe sich aber nicht auf eine allgemeine Vermutung stützen, sondern müsse ihre Einschätzung wissenschaftlich untermauern. Soweit sie sich auf das Vorsorgeprinzip berufe, müsse sie auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung belegen, dass die Existenz oder die Tragweite der behaupteten Gefahr nicht mit Sicherheit bestimmt werden könne.

    3. Höheres Gefährdungspotenzial der Carbon-Räder nicht nachgewiesen

    Laut VGH genügt der Hinweis, dass die Räder für die Fahrstabilität von Motorrädern von großer Bedeutung seien, für den erforderlichen Nachweis nicht. Den vom Regierungspräsidium vorgelegten Gutachten sei zwar zu entnehmen, dass ein Prüfprogramm für carbonfaserverstärkte Kunststoffräder noch nicht entwickelt und daher der experimentelle Festigkeitsnachweis noch nicht erbracht sei. Es gebe aber keinen Hinweis darauf, dass die den britischen Sicherheitsanforderungen entsprechenden Carbon-Räder gegenüber herkömmlichen, aus Leichtmetall gefertigten Rädern ein gesteigertes Gefährdungspotenzial aufwiesen. Auch gebe es keine Berichte über Unfälle, auch nicht aus dem Bereich des Rennsports, wo die Carbon-Räder bereits verwendet würden.

    Gruss Wolfgang
    I am driving in stealth mode

    #2
    AW: ABE erloschen oder nicht ?

    Sehr interessant, danke!

    Grüße
    Thomas
    Signatur... Was schreib ich da nur?

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      #3
      AW: ABE erloschen oder nicht ?

      Ich liebe dieses Urteil.

      Demzufolge müßen also Teile aus GB nur noch dort zum Straßenverkehr zugelassen sein.

      Spart viel Geld für Einzelabnahmen bzw. legalisiert die eine oder andere Änderung.

      =)
      Marco
      British dogs are like british cars - make lots of noise, have lots of defects.

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        #4
        AW: ABE erloschen oder nicht ?

        Hallo,

        schönes Urteil zwar, aber ich kann nur davor warnen, sich eingedenk dessen alles Mögliche aus UK an die Kiste zu schrauben und dann anzunehmen, man sei straßenverkehrszulassungsrechtlich auf der sicheren Sreite - ist ein glatter Irrtum. Der Kläger im obigen Fall hat offensichtlich die Eintragung beantragt, diese wurde - ebenso offensichtlich - abgelehnt, hiergegen hat er geklagt mit der Folge, dass dass obige Urteil erlassen wurde.

        Zum Untrerschied: er hat nicht einfach irgendwas an seine Kiste geschraubt, ist damit losgefahren, hat nen Unfall gebaut und setzt sich nun gegen die Versicherung, die die Schadensregulierung ablehnt, damit zur Wehr, dass Carbonräder aus UK an Kräder geschraubt werden dürfen - andere Baustelle !

        Legalisiert wird hierdurch nix (außer den Felgen des Kradlers in Ba-Wü.) !

        Grüße,
        Alexander

        P.S.: MV Augusta hätte ich auch gerne, aber nie - nie - nie würde ich da Carbonflegen dranpoppen !

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          #5
          AW: ABE erloschen oder nicht ?

          Das klingt klasse! Sollte das ganze Verfahren vereinfachen, wenn es zu gängiger Rechtssprechung wird.
          Gruß aus dem Norden
          Steffen

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            #6
            AW: ABE erloschen oder nicht ?

            Sehr interessantes Urteil für alle die Teile aus Gb importieren.

            Ganz so eng wie Alexander würde ich das allerdings nicht auslegen. Das Urteil besagt nur, dass Teile die in einem Unionsland (EU) abgenommen und freigegeben sind auch in den anderen Ländern der Union akzeptiert werden müssen und straßenverkehrsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

            Für die Verkehssicherheit seiner Kisten oder Mopeds ist jeder selber verantwortlich. Im Falle eines Falles nämlich muss die Versicherung nachweisen, dass die Veränderung ursächlich war und/oder die Folgen verschlimmert hat. Normalerweise ist so eine Nachweis nur mit sehr viel Aufwand und meistens nicht in der gewünschten Form zu führen. Beispiel: Baut sich einer eine Rennbremse ein so wird die versicherung trotz fehlender Zulassung kaum einen Regress führen können, da die Rennbremse sogar besser wirkt als die Standartbremse.

            Bei dem Thema kann man sich allerdings totdiskutieren und jeder sieht es ein bisschen anders. Alsö stell ich mal einen Kaffee bereit.

            Gruss Bernd

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              #7
              AW: ABE erloschen oder nicht ?

              Diese Möglichkeit der Klage gegen Nichtzulassung von Fahrzeugen oder Teilen, die in anderen Staaten der EU zugelassen sind/waren gibt es schon länger.
              Wie sagte mein TÜVler allerdings: Man braucht einen guten Anwalt und ca. 2 Jahre Zeit.
              Das Rübenschwein

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                #8
                AW: ABE erloschen oder nicht ?

                ... Und viel Geld. Ich weiß zwar nicht, was eine Klage vor dem VGH kostet - und der Kläger hat letztendlich auch gewonnen - aber eingesetzt hat er sicherlich einen Betrag, der den Neupreis eines Defenders übersteigen könnte. Alexander scheint vom Fach zu sein und könnte dies kommentieren.

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                  #9
                  AW: ABE erloschen oder nicht ?

                  interessant wäre die Frage hinsicht der in UK verbauten, dort eingetragenen und geprüften LPG Anlagen in Land - und Range Rovern.

                  Kommentar


                    #10
                    AW: ABE erloschen oder nicht ?

                    Zitat von dutronc Beitrag anzeigen
                    Das Urteil besagt nur, dass Teile die in einem Unionsland (EU) abgenommen und freigegeben sind auch in den anderen Ländern der Union akzeptiert werden müssen und straßenverkehrsrechtlich nicht zu beanstanden sind.
                    Das ist aber falsch.
                    Jedes EU-Mitgliedsland kann das Inverkehrbringen von technischen Einrichtungen,
                    die es für unzumutbar oder gefährlich hält,in seinem
                    Hoheitsgebiet explizit untersagen.

                    Zuletzt geändert von Caruso; 11.03.2012, 21:38.
                    Einmaligen Sonnenaufgang beobachtet
                    Kein Foto gemacht,Nichts gepostet

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                      #11
                      AW: ABE erloschen oder nicht ?

                      [Das ist aber falsch.
                      Jedes EU-Mitgliedsland kann das Inverkehrbringen von technischen Einrichtungen,
                      die es für unzumutbar oder gefährlich hält,in seinem
                      Hoheitsgebiet explizit untersagen.
                      UOTE][/QUOTE]

                      Nicht ganz so einfach. Prinzipiell kann jedes KFZ, das einmal in einem EU Staat zugelassen war in einen anderern EU Staat überführt und dort zugelassen werden.

                      Das Verhalten der Zulassungsstellen ist eine Blokadepolitik und nicht leicht zu unterlaufen. Was mann auch an der Aussage der Tüv-lers sieht.

                      Es isr halt schnell geschwätzt und das Machen dauert...

                      Seit der Harmonisierung der KFZ Vorschriften gilt die deutsche STVZO fast ungeschmälert in ganz EU-Europa. Aber die Auslegung ist überall anders.
                      Prinzipiell gelten TÜV-Belege aus einem EU-Land in der ganzen EU. Frankreich prüft aber fast prinzipiell immer noch einmal.

                      Gruss Bernd

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                        #12
                        AW: ABE erloschen oder nicht ?

                        Du hast den Link nicht geöffnet ,stimmts?
                        Einmaligen Sonnenaufgang beobachtet
                        Kein Foto gemacht,Nichts gepostet

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                          #13
                          AW: ABE erloschen oder nicht ?

                          Muss ich als Themenstarter ja wohl auch noch mal was schreiben:

                          Regel:

                          Der europäische Binnenmarkt ist der gemeinsame Wirtschaftsraum der EU. Der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist eine der Säulen des Binnenmarktes und darf nur aus bestimmten Gründen eingeschränkt werden. Nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung sind EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Produkte auf ihrem Markt zuzulassen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig vermarktet werden - auch wenn diese nicht durch eine EU-Maßnahme harmonisiert worden sind.

                          Ausnahme:

                          Die Anwendung dieses Prinzips kann nur dann angezweifelt werden, wenn zum Beispiel öffentliche Sicherheit, Gesundheit oder Umweltschutz gefährdet erscheinen.

                          Folge:

                          Unter Beachtung von Regel und Ausnahme kommt man zur Frage der Beweislastverteilung. Klare Sache, wer die Ausnahme für sich in Anspruch nimmt, hat das Vorliegen deren Voraussetzungen zu beweisen. Kann er den Beweis nicht erbringen, verliert er den Rechtsstreit.

                          Googelt man aus dem o.a. Urteil nach "BS AU 50", findet man britische Vorschriften über Reifen und Räder. So was gibt es dann wohl auch für andere Teile. Die Carbonfelge ist in einem EU-Land anscheinend also für unbedenklich erachtet worden.

                          Wenn sich die Behörden hier dann nur mit bla bla bla auf die öffentlichen Sicherheit, die Gesundheit oder den Umweltschutz berufen, reicht das eben nicht aus. Da muss konkret dargelegt werden, warum was beeinträchtigt ist. Und dann muss diese Behauptung im Rechtssinn bewiesen werden. Und Sachverständige sind teuer.

                          Ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit darüber dauert natürlich lange. Aber die Sache hat m.E. weitergehende Konsequenzen. Ich meine nicht, dass das Nichtvorliegen einer deutschen ABE automatisch zum Verlust des Versicherungsschutzes führt. Habe ich hinten eine nicht genehmigte Anhängekupplung dran, so kann sich mein Versicherer nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn ich schuldhaft auf jemanden auffahre.

                          Wegen der Carbonfelgen bestand ein Anspruch des Moppedfahrers auf Eintragung. Was wäre gewesen, wenn er im Verlauf des Rechtsstreits mit seiner Karre verunfallt wäre? Was wäre gewesen, wenn er sich in dieser Zeit wegen der (noch nicht eingetragenen) Carbonfelgen einen Bussgeldbescheid eingefangen hätte ?


                          Gruss Wolfgang
                          Zuletzt geändert von Disco911; 14.03.2012, 08:48.
                          I am driving in stealth mode

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                            #14
                            AW: ABE erloschen oder nicht ?

                            Kennt jemand weitere Bauteile, die in UK eine Betriebserlaubnis haben und in Deutschland nicht? Mit der englischen Betriebserlaubnis und dem Text aus dem ersten Posting kann man's beim TÜV-Prüfer ja dann mal versuchen. Wäre vielleicht einen eigenen Thread wert ... ich denke an so Dinge wie Scheinwerfergitter ...
                            ... Signaturen waren gerade aus.

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                              #15
                              AW: ABE erloschen oder nicht ?

                              Wolfgang: mir ist nicht ganz klar wo sich ein "Anspruch auf Eintragung" herleitet?

                              Soweit mir bekannt ist, hab ich die sichere Verwendung nachzuweisen und nicht der Ablehnende die Verkehrsgefährdung.
                              Ertrinkt der Bauer, hat immer die Badehose schuld.

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