Gestern hab ich den Anlasser, den ich als Testaggregat für den Alltagshundertneuner brauchte wieder eingebaut (sagte ich schon, dass der Sexappeal von Vierzylindern beim Festziehen der gut versteckten oberen Halteschraube am Sixpott in olympische Höhen steigt?).
Dann sollte der Sixpot ohnehin auf einen anderen Platz. Zündschlüssel umgedreht und sich am kraftvollen Gleichklang des revidierten Motors berauscht. Ich liebe diese Obertöne beim Gasgeben im Leerlauf. Reine Potenz hieß das Stück, welches mir das Sextett aufspielte. Die Crescendi Viagra für die Ohren. Nachdem ich also mit etwas glasigem Blick die Zeit auf dem Gaspedal vergessen hatte, brachte mich der Maßnahmennachbar aprupt wieder ins Hier und Jetzt zurück. Kurzes anregendes Nachbarschaftsgespräch, für welches ich wahrscheinlich morgen ein anwaltliches Schreiben in meinem Briefkasten finde. Egal. Der Sixpot schnurrt wie eine Raubkatze nach dem Frühstück.
Also rangiere ich den Wagen hin und her und stelle ihn auf seinen neuen Platz. Haube auf, um dem akustischen Fest ein optisches beizustellen. Und was machen alte Profis, wenn sie sich voll und ganz der Bewunderung des Kraft ihrer Hände formvollendeten Metallmuskels hingeben?
Richtig, sie checken -ganz Profi- zuerst mit dem zufriedenen Auge des Connaisseurs, dann mit den Händen des Bastlers dies und das. Ja - es geht nichts über das Gefühl die verdorrte mausgewohnten Bürohand am schnurrenden Motor mit Leben zu füllen. Vorbei die Raumzeitstillstände scheinbar ewig währender Konferenzen, spontan vergessen die Logikbrüche fröhlich retardierender Zeitgenossen, denen man hierarchich bedingt nicht ausweichen kann. "This is my church, this is where I heal my hurts" Yeah.
Und dann checkt man dies und das. Z.B., den Ölstand im Dämpfer des Gleichdruckvergasers. Ich kenne das schon: immer wenn ich anfange mich in Gedanken zu loben, steht das nächste persönliche Armageddon ante portas. Immer. Grundsätzlich. Ist ein Guidosches Axiom. Wäre ja auch irgendwie langweilig den Abend neben dem im Leerlauf friedlich brabbelnden Sechszylinder mit dem Aufreissen einer kalten Hülse und einer Virginia/Orientmischung ausklingen zu lassen.
Der Ölstand im Dämpfer war inexistent. Kein Problem, ein Naps frisches Motoröl rein gegossen, während ich mir sagte: Guido, das hast Du gut hinbekommen. Böser Fehler. Nie sich selbst loben. Nie. Dämpfer sachte eingeführt und festgeschraubt und der Motor geht sofort aus. Einfach so. Fieser Pulsbeschleuniger, wenn man eigentlich gerade wegchillt. Nachdem ich die Elektrik kontrolliert habe und sichergestellt habe, dass weder Spule, noch Kabel, noch Verteiler Schuld haben. Orgel ich also die Batterie fast leer, aber nichts zündet. Zündkerzen sind rappeltrocken, müsste ja eigentlich schon abgesoffen sein, aber Benzindruck ohne Ende - Diagnose: es geht kein Sprit aus dem Vergaser, zumindest nicht im vorschriftsmäßigen aerosolförmigen Zustand. Die erste Teilzerlegung im Motorraum zeigt dann auch, das die Brücke des Vergasers in Benzin schwimmt.
Naja, heute werde ich also den Vergaser - mal wieder ausbauen, zerlegen, reinigen und wieder einbauen. Kann mir mal jemend einen Sack über den Kopf stülpen und die Zeit nehmen. Nicht dass ich jedes Schräubchen dieses "einfachsten Vergasers der Welt" nicht schon weitaus öfter in Händen hielt, als ich es beim vergleichsweise komplizierten weber je werde erleben können - es sei denn ich wollte es. Aber ich will nicht, ich will Sixpotsound, sonst nichts. Ist das zuviel verlangt?! Nach all der Qual und der Mühe und der Zeit, die ich aufbrachte um aus diesem erbärmlichen Haufen Rost und Dreck, längstens für die Presse destiniert, wieder ein Auto entstehen zu lassen. Kommt die Seele dieser Drecksfuhre mit dem Leben 2.0, reanimiert und von der Schippe geholt einfach nicht klar? Muss ich neben der maximalinvasiven Chirurgie und teilweise schleppender Rekonvaleszenz nun auch eine tiefenpsychologische Betreuung verordnen? Soll ich mich vor Betätigen des Zünschlüssels erstmal vor sie hinsetzen und ihr Reiseberichte vorlesen?
Fragen? Nö, hab ich keine. Vielleicht wie gerade der Kurs für gute Golf II ist. Oder wie erkläre ich meiner Frau warum das Auto im Hof, welches primär meiner Entspannung dienen soll, bei der kleinsten Zuwendung zielsicher dazu beiträgt genau das Gegenteil zu bewirken, indem es meinen unterforderten Intellekt mit technischen Herausfoorderungen konfrontiert, die mich bisweilen Grenzregionen meines Verstandes besuchen lassen, die ich definitiv nicht vorhatte auch nur ansatzweise als Reiseziel für die abendliche After Work Entspannung zu buchen, und warum gerade dies Entspannung sein soll. Zickentrek - Where no mind has gone before.
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