1996 kam ich zum Land-Rover, ein 90er musste es natürlich sein.
Mit der damals kraftvollen TDi Maschine, stand im Verkaufsraum für damals 35.000.- Mark.
Dies war dann doch etwas zu viel, musste mich dahingehend erst einmal mit Gebrauchtware über Wasser halten bis zu späteren Zeiten.
Aber was macht den Reiz dieses Fahrzeuges tatsächlich aus? Warum wird da so ein Kult um ein konstruktiv 60 Jahre altes Nutzfahrzeug gemacht?
Ein Erklärungsversuch...
Heute kostet das gleiche 90 Station Wagon Modell mit den zwingend nötigen Extras 40.000€.
Ist auch absolut logisch, denn der Entwicklungsaufwand, so einen ollen Transportermotor incl. Schaltgetriebe in einen Leiterrahmen zu setzen ist ja auch gigantisch.
Dazu braucht es heute mindestens die SE Ausstattung, incl. Radio, Teilleder, Klima, Sitzheizung, ABS, ETC und dem ganzen anderen Kram, was man heute so in sein Auto packt.
Wen du dann also endlich einen der letzten Landys als Neuwagen bekommen hast- die Landyneuwagenfreie Apokalypse ist ja schon bald nah- muss das gute Stück erst einmal konserviert werden für´s fahren bis ins Rentenalter.
Dazu braucht es dann natürlich das beste und teuerste Wachs, das man auf dem Markt so kaufen kann, muss dann vom Vollprofi in jede Ecke des Fahrzeugs reingepumpt werden, schließlich ist man ja selbst zu doof die Augen auf zu machen und mal selbst die ganzen Löcher zu suchen. Umgangssprachlich wird das in der Szene auch "Sandern" genannt ;-)
Dann kommt natürlich das "individualisieren" des schönen und schnöden neuen Fahrzeuges.
Fangen wir mal klein an:
Heritagegrill 225.-€
5x Wolf Felgen 600.-€, denn die originalen Alufelgen mit der Optik eines testosterongeschwängerten Seesternchens schauen halt nicht soooooo old school aus.
Dazu natürlich noch AT/MT Bereifung mit mindestens 3-lagiger Seitenwand, S-Symbol und Zahnradoptik, nochmal 750.-€.
Und weil der eigenen Speckmantel um das Sixpack des eigenen Bauches immer weiter anwächst braucht es selbstverständlich noch das Raid-Lenkrad mit Nabe für 190,98€, damit EIn- und Aussteigen auch nicht zu beschwerlich wird.
Die Optik der Wolf-Felgen kommt natürlich erst richtig mit 33mm Spurverbreiterungen zur Geltung, mit ABE für 440.-€ zu haben incl. Versand.
Das wäre dann so mal das Basispaket.
Der Landy braucht dann aber ja auch seine Daseinsberechtigung, also raus auf einen Ausflug ins Grüne mit der Liebsten:
Mit Picknickdecke, schönen echten Gläschen und Besteck, natürlich von der Firma Auerhahn wird der erste Ausflug ins Gründe dann auch ein voller Erfolg ;-)
Aber ein Landyfahrer muss auch ohne Landy als solcher zu erkennen sein.
Wie wäre es denn mit einer Burberry-Jacke aus dem Outlet, heruntergesetzt von 995.-€ auf 497.-€. Hast du nix gekauft, hast du nix gespart...
Außerdem braucht es ja die praktische Khakihose von Camel active, schließlich ist die so praktisch, hat ja eine eigene Tasche für das Letherman Überlebenswerkzeug im Schweinsleder-Etui, das man vielleicht im Überlebenskampf brauchen könnte, wenn die Karre mal wieder abends nicht läuft und man auf den Abschlepper wartet, man hat ja schließlich noch Mobilitätsgarantie.
In der Stadt ist es außerdem sehr wichtig sich eine Seilwinde ans Auto zu schrauben, aber nicht irgendeine, sondern mit Plastikseil, Dyneema heißt das Stichwort, gibt es in schönen verschiedenen Farben und die Arbeitshandschuhe mit Wildlederbesatz werden bei Gebrauch auch nicht beschädigt.
Das Ganze natürlich montiert auf einer Super-HD Windenstoßstange mit TÜV, damit man dann auch kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn der erste Kinderschädel bei übefahren daran zerschellt.
Das ganze Paket wird heutzutage ja auch nicht mehr wie früher in einer Hinterhofwerkstatt sonder in einer sogenannten Manufaktur verbaut. Hier tragen die Mechaniker nicht nur weiße Handschuhe, sondern laut Dekra-Zertifizierung auch gleichfarbige Unterhosen.
Die Internetpräsenz ist gespickt von schönen Hochglanzbildchen der umgebauten Kundenfahrzeuge, Mund-zu Mund Propaganda wird in Zeiten des WWW ja auch völlig überbewertet.
Und weil es so schön ist, kommt noch der berühmte Aufkleber "One life..live it" auf´s Auto, aus den Zeiten, als eine Camel Trophy nur noch Schatten ihrer selbst war.
Macht aber nix, weiß ja eh keiner mehr, was das bedeutet.
Mittlerweile ist der geliebte Landy so schwer und träge, dass der Bock an jedem Berg von einem vollgeladenen Ford Transit verblasen wird...und das mit dem gleichen Motor?!...geht gar nicht.
Also Motortuning:
Chiptuning, VTG-Lader, Super Ladeluftkühler und eine Fuel-Map, mit der man innerhalb von Sekundenbruchteilen die Schallmauer durchbrechen kann, verspricht der Prospekt. Und damit man das auch noch hört, gleich noch ein Proll-Krawall MSD Ersatzrohr mit reingebaut, vor 20 Jahren war das bei den Moppeds ja auch cool.
Inzwischen haben wir ja jetzt schon das Stadium des erfahreneren Landyfahrers erreicht und damit muss auch im Bereich der Expeditionsaustattung noch nachgelegt werden:
Dachträger mit Land-Rover Experience Plakette, Dachzelt, Dachbox, Dachleiter und was mach so noch alles oben draufpacken kann, selbstverständlich aus irgendeinem Weltraumaluminium, man muss ja auch ans Gewicht denken!
Und weil die Karre jetzt so schnell wird, dann noch LED-Hauptscheinwerfer, Tagfahrlicht (man muss ja die Kinderlein in der Stadt warnen!) und diese LED-Lightbars, gekrümmt, gebogen, Super HD mit IP-Wasserspezifikation "Superdicht".
Das originale Fahrwerk kommt ja auch an seine Grenzen, also noch schnell Federn, Dämpfer, Casterkorrigierte Achslenker mit verstellbarem HD-Panhardstab und Superbuchsen dazu gekauft in der Manufaktur. Und wegen den Vibrationen noch eine Extra-Weitwinkel-HD-Doppelgelenk Kardanwelle vorne abschmierbar an allen Ecken und Enden.
Somit kann einem ersten ernsthaften Geländeausflug ja nichts mehr im Weg stehen.
Also runter von der Straße und ab auf den erstbesten Feldweg:
Beim wenden, ist ja schließlich nach 30m gesperrt gleich mal im Graben festgerammelt.
Die Wartezeit auf den Bauer mit dem Schlepper kann man dann damit verbringen entsprechende Poserbilder mit dem Smartphone auf Facebook aus allen erdenklichen Perspektiven zu posten, das Abenteuer mus schließlich der Welt mitgeteilt werden.
Nach der zugegeben etwas peinlichen Vorstellung dann ein Fahrseminar beim echten Instruktor gebucht.
Aber nicht irgendeiner, nein:
Natürlich das all inclusive Seminar, beim Vollprofi, Wettbewerbserfahren bis zum gehtnichtmehr und voll NLP-geschult um auf seine Kunden auch explizit eingehen zu können und auch die letzten Ängste bei "harten Offroadfahren" nehmen zu können.
Als erfolgreicher Absolvent mit Zertifikat und Stempel darf es dann endlich auf Abenteuerreise gehen:
Natürlich mit dem zertifizierten Reiseveranstalter in die Westaplen auf Gourmetreise auf engen Schotterwegen über die legendären Pässe, auf denen jeder ital. Fiat Panda 4x4 seit Jahren rumeiert.
Auf der Heimfahrt mehr man dann das so ergonomische Sitze mit Lendenwirbelstütze vielleicht doch nicht so verkehrt wären.
Also geht die Umbaumanie einfach immer und immer weiter...
Irgendwann steht dann die verbastelte Kirmisbude nur noch zu Hause rum, ist für den Alltag ja viel zu schade und man fährt dann doch lieber einen schnöden VW-Golf im Alltag.
Heutzutage fährt man also nicht Landy, man leistet sich einen Landy... :roll:
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